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Ministrantenzeit in Altötting

Vielleicht sollte ich zuerst die Situation eines Ministranten erzählen. Ein Ministrant ist nur scheinbar am Rande, er steht mittendrin, inzwischen auch natürlich "sie" aber damals waren wir nur Jungs: wir fingen an mit 10 Jahren etwa und wuchsen heran in dieser Rolle bis wir mit 15 / 16 Jahren nur noch selten sonntags bei Hoch-Ämtern mit Weihrauch im Dienst waren. 

Wir waren am Rande. Zentral war der Priester, der Zelebrant in goldenen Gewändern oder in den jeweiligen Farben des Kirchenjahres, was zwischen Weiß, Gold und grün und rosa - an zwei Tagen - oder rot zu den Tagen der Märtyrer und schwarz natürlich zu allen Trauer Anlässen getragen werden konnte. 

Entsprechend zu den Farben der Zelebranten hatten wir Ministranten auch unsere Kleidchen zu tragen. Während der Priester oder Kapuziner in unserem Falle eingekleidet wurde, trafen wir ein und fanden unsere Haken in unsere Größe in unserem Wandschrank im großen Flur des Kapuzinerklosters. Im Minuten gekleidet waren wir bereit, der Sakristan hatte alles von Wein und Wasser, von Messbuch und Zeitablauf im Blick. An Werktagen mussten wir ja anschließend in die Schule, und vielleicht abgelöst werden, wenn der alte Pater Leopold wieder zu lange vor sich hin rappelte und mit seiner lateinischen Messe nicht fertig wurde. 

Am Sonntag vormittag gab es oft große Aufmärsche, je nach Hochamt und Feiertag waren wir eine größere Gruppe mit Weihrauch und Lektoren. 

Später, als etwa 1964 die deutsche Form begann:

Zuerst hatte ich in meiner Kindheit noch das Ministranten Latein gelernt "ad deum qui laetificat juventutem meam"
 Das kann das Programm nicht ...

1964 mit den Folgen des Konzils kam die deutsche Sprache "zum Altare Gottes will ich schreiten, zu Gott der mich erfreut von Jugend auf"

 ja das war eine Frage 
der Sakristan freute sich jeden Tag  wenn wir kommen  und so war es ein schönes Vorspiel vor der Schule, die längst nicht so erfreulich war. 

Als Ministrant sahen wir natürlich auch immer, wer in der Kirche war: alte Weiber so sagten wir damals, sie war noch hauptsächlich schwach besetzt, bis auf die eine, die da immer in der Mitte der 5. Bank in besseren Klamotten heraus strahlte mit ihrer ganz besonderes bigotten Haltung die Frau des Käseladen & früher Molkerei Besitzers, absahnend und Butter Fabrikant Berthold. 

Jahrzehnte später fand ich in den Akten des Hauptstaatsarchiv München die führenden Nazis Altötting in einem Bericht für die Amerikaner in volkshochschul- Englisch aufgeschrieben: 

Familie Reichelt, unser Fotograf aller Erstkommunion- und Familienbilder, dessen Vater alle Käufer eines Hitler Bildes notiert hatte und mir vertraut Familie Berthold, mit Eisladen an der Pfarrkirche, softeis und natürlich auch Devotionalien wovon Altötting voll war aber auch ein große Butter- und Käseladen in der Mühldorferstraße. Frau Berthold immer ganz besonders fromm, auffallend bigott vor allem in den Frühmessen die besonders langweilig lateinisch aber nah am Volk am rechten Seitenaltar stattfanden, vor allem wenn der ganzjährig barfüßige Pater Leopold in seiner ganz langweilig bedächtigen Art seine Messe um 7 Uhr las und wir doch nachher gleich in die Schule gehen mussten. Manchmal kam der Sakristan und löste uns ab, damit wir noch pünktlich zur Schule radeln konnten. 

Frau Berthold folgte dem Geschehen mit Aufstehen, damals war nicht viel deutscher Text aber "et cum spiritu tuo" musste das Volk antworten auf "dominus vobiscum" und wir als Ministranten hatten an den entsprechenden Stellen das Buch von der einen Seite auf die andere Seite, das Wasser und den Wein zum Kelch zu bringen und zu klingeln und natürlich zu antworten wenn das schwierigste Kapitel kam: "Suscipiat Dominus sacrificio de manibus Tui und so weiter

Ansonsten hatten wir uns ja nur still zu verhalten, hatten also auch die Möglichkeit unsere Blicke schweifen zu lassen, bevor dann irgendwann die ganz Frommen zur heiligen Kommunion kamen, am Werktag waren das nur einige Pilger und diese besonders Formen wie die Frau Berthold.

Als Ministranten hatten wir eine vergoldete Patene unter zu halten, damit kein Stäubchen von der heiligen Hostie zu Boden fallen konnte ... 

So sah wir also das fromme Volk aus unserer Kulisse und konnten unsere Meinung bilden was war heute so los im Pilger Strom: der Werktag gehörte noch den Bürgern der Stadt, am Samstag und Sonntag, wenn die Glocken die Pilgerzüge und die anströmenden Fußwallfahrer ankündigten und begrüßten, wurde Hochbetrieb. 

Der Sakristan war froh uns an der Seite zu haben, wenn kurz Einzug vom Bahnhof angesagt war, die Glocken einzuschalten und jemand aus dem Kloster zur Weihe von Gegenständen zu rufen war.

Die Pilgergruppen hatten dann ihre eigenen Leute, die redeten und predigten und dann war gegen Mittag Ruhe, wenn alle zum Essen waren und wir Ministranten bekamen auch oft ein kleines Gläschen Kapuziner Bier  das ein doppeltes Märzen war zu einer Brotzeit bevor wir nach Hause entlassen wurden. 

Sonntags konnte es sein, dass wir den ganzen Vormittag zwischen Sakristei und Kirchenspeicher und Turm und Glocken uns herumgetrieben, Brotzeit bekommen und im Garten mit den Patres im Gespräch waren, eine schöne Stimmung.

Altötting lebte von dieser Pilgerei und leitete seinen Sinn davon ab, die Kapuziner ganz besonders, wenn nichts anderes halt hatten sie als Altherren Haufen Vor sich.

Früher (unter den Nazis?) war St. Magdalena als Aussterbe- Kloster gedacht. So war es das immer noch: Junge Frarters und Patres gab es nur unten in St. Anna bei der Basilika. Im großen Kloster St. Magdalena war das Altherren Stift

Später sollte Andreas Altmann das Gerücht schriftlich fassen, das wir zwar gehört hatten, aber nicht glauben konnten: Sexuelle Ausschweifungen, eine zerbrochene Weinflasche im Arsch eines Kapuziners, der auf einem umgekehrten Tisch festgebunden, zwischen den Beinen im Blut schwimmend vom Arzt gefunden worden war, den sie in seltsamer Art bedrängt hatten, ja nie jemand davon zu berichten.
Um so mehr hatte er es in der Stadt erzählt was bisher anscheinend die offiziellen Amtsärzte und Vertrauten des Klosters verschwiegen haben ...

Ähnlich ging es später als im Hotel Post ein Altenheim eingerichtet worden war, dem Zivildienstleistenden dort, dem nicht geglaubt worden war, dass er Heiligabend alleine mit x schwer zu betreuenden Alten gelassen worden war, nicht zu bewältigen aber sparsam.

Der Amtsarzt hatte es unter den Tisch gekehrt, der Zivildienstleistende studierte dann Jura, brachte die Sache ans Licht und so manchen bayerischen Skandal an Asylrecht und Korruption.

Der Pilger-Betrieb in Altötting wurde zum Film 
Hans-Christian Schmid drehte die Mechanik des Wunders und alle Altöttinger freuten sich über ihre gute Darstellung. 100 Kilometer westlich brüllte das Kinobesucher-Volk vor Lachen über diese selbstgerechte Organisation

1967, ich erinnerte mich später, war ein seltsamer Tag in Altötting: Es waren sonderliche Pilger in Menge, was wir eigentlich gewöhnt waren von Sudetendeutschen bis Siebenbürgen, aber diese Herren standen seltsam Unfromm in der Kirche und in der Stadt herum auch bei den abendlichen Lichter-Prozessionen und Umzügen unbeteiligt kritisch ...

Jahrzehnte später als ich las, dass Joseph Tissot der Judenschlächter der Slowakei im St. Anna Kloster sich 1945 versteckt hatte, mit Kardinal Faulhaber in Kontakt war in München und auf der Straße aufgefallen war, durch den Autoverkehr des ehrenwerten Wagen wurde er als Kriegsverbrecher von den Amerikanern verhaftet und an die Russen ausgeliefert und 1947 am 17. April hingerichtet,  gehängt.

1967 20 Jahre später waren seine Verehrer in Altötting auf seinen Spuren und sie sind bis heute aktiv: Es gibt immer noch klerikale Faschisten in der Slowakei die den damaligen Priester immer noch verehren und als slowakischen Volkshelden feiern wollen.

Ich bin gespannt ob sie auch 2022 noch auftauchen und klerikalen Faschismus für die Slowakei denken, denn Ukraine und Ungarn sind für sie gedanklich Brüder.

Zündfunk Karl Bruckmaier und ein Gespräch mit dem Stadtpfarrer den Bürgermeister dem Altbürgermeister und seiner Frau und etwas Geschichtsforschung zurück Entwicklung der 1960 er Jahre denn damals war für uns Synode Aufbruch und glory hallelujah als großes Ereignis aber auch der blumenteppich zur fronleichnamsprozession und viele Plakate im schaukasten hinter der stiftskirchen Sakristei und dem eisladen der Familie Berthold sowie die ganzen jugendmessen gemeinschaftlich gestaltet mit Gitarre und manchmal Schlagzeug als Jazz messen in der michaeliskirche damals legendär für das ganze Dekanat.


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